Der Pitz Alpine Glacier Trail 2023 – alles anders und trotzdem schön

von | 20. August 2023 | Reportagen, Läufe

Immer wieder hatte ich in der Vorbereitung auf den Pitz Alpine P60 Bilder im Kopf. Ein Start in einer sternenklaren Nacht, am Rifflsee in den Sonnenaufgang hineinlaufen, beim Aufstieg auf den Sassen schwitzen und nach dem schwierigen Abstieg mit dem Blick auf den türkis glitzernden Mittelberglesee belohnt werden. Ich habe mir sogar Gedanken gemacht, wann ich Sonnencreme auftrage und ob es reicht, die Sonnebrille nach der zweiten Schleife in Mandarfen aufzusetzen. Aus heutiger Perspektive weiß ich, dass das naiv war. Trailrunning ist Outdoorsport, deshalb lieben wir es doch so sehr und natürlich besteht die Möglichkeit, dass es beim Rennen regnet. Aber bis jetzt hatte ich im Pitztal schon immer gutes Wetter erwischt und Bilder mit Regenjacke kamen einfach nicht auf meinen inneren Bildschirm.

Eine Woche vor dem Lauf sieht die Wetterprognose dann gar nicht gut aus. Regen, Gewitter, Kälte, Schneefall bis auf ca. 2.600 Meter. Montags teilt der Veranstalter mit, dass die Durchführbarkeit nicht gefährdet sei, aber Sicherheit natürlich vorgehe und sie auch in Richtung Alternativstrecken denken. Die Tage verstreichen und die Wettertendenz bleibt eindeutig. Ich mache mich mit dem Gedanken vertraut, dass wir nicht die Originalstrecke laufen, denn ich kann mir diese Route bei diesen Bedingungen nicht vorstellen. Aber was können wir laufen? Laufen wir überhaupt? Die Ungewissheit ist ein komisches Gefühl und da wir nicht wissen, was uns tatsächlich erwartet, packen wir viel zu viel ein. Diverse Handschuhe, Laufhosen, Thermoshirts, Schuhe mit GTX und welche ohne.

Als wir einen Tag vor dem Lauf dann ins Pitztal fahren, ist meine Vorfreude tatsächlich etwas getrübt, denn ich merke etwas im linken Vorfuß und verliere den Fokus. Ich hatte mich so gefreut auf den Lauf, der mein erster Ultra werden sollte. Xabi und ich wollten ihn gemeinsam laufen und wir hatten uns gut vorbereitet, waren sogar vor zwei Wochen zum Training im Pitztal. Als am Donnerstagnachmittag die Info kommt, dass die Veranstaltung stattfindet, aber mit Streckenänderung, bin ich auf der einen Seite erleichtert, zu wissen, was nun Sache ist und auf der anderen Seite verunsichert, ob ich für diese Route eine Verschlechterung meines Fußes riskieren soll.

Quelle: sportograf.com

Am Freitagmorgen bin ich keinen Schritt weiter und merke dafür beim Gehen immer noch jeden Schritt. Wir bereiten alles vor, als ob ich laufe und holen unsere Startunterlagen ab. In der sogenannten Trail-City in Mandarfen fühlt es sich dann so an, als dürfte ich nicht mitspielen, wenn ich nicht starte. Ich stelle mir vor, wie ich im Regen durch den Matsch laufe, durchnässt den Talweg zurück, vorbei an unserer Unterkunft, ja, das will ich machen. Ich will dabei sein. Die erneute Streckenänderung, die dann am Freitagnachmittag bekannt gegeben wird, unterstützt mich in meiner Entscheidung, denn die Route ist nun zusammengedampft auf die Loops P15 über Rifflsee und Zirbensteig, Talweg und die Arzler Alm Loop, die je nach Distanz unterschiedlich kombiniert und unterschiedlich oft gelaufen werden. Hier kann ich jederzeit problemlos abbrechen, wenn sich der Fuß verschlechtert. Pitz Alpine P60, wir sind dabei!

Am Freitagabend um 23 Uhr starten die Läufer*innen des P90 und P105, wir sitzen noch beim Kaffee im Trockenen und Warmen in unserer Ferienwohnung und verfolgen alles im Livestream. Dieser ist übrigens richtig gut gemacht, da können sich die größten Events noch etwas abschauen. Um 1 Uhr fällt für uns der Startschuss. Die Stimmung ist entspannt und beim Start ist es trocken, es scheint nicht so kalt zu sein, wie befürchtet. Trotzdem sehen wir alle aus als würden wir beim Winter Spine Race teilnehmen. Das Abenteuer beginnt. Wir gehen zunächst auf die P15 Loop, die mit dem Anstieg zur Sunna Alm beginnt. Dieser ist steil und die Beine müssen erst reinkommen, was aber schnell passiert. Irgendwann setzt auch der Regen ein und oben bin ich auf jeden Fall dankbar, Regenjacke und -hose sowie Handschuhe anzuhaben. Wir halten kurz an der ersten Verpflegungsstelle und dann laufen wir um den Rifflsee. Ein Läufer schließt zu uns auf, wir wechseln ein paar Worte und er entscheidet, jetzt mit uns zu laufen. Zu dritt suchen wir unseren Weg durch die Nacht, den Nebel und den Matsch, laufen den Fuldaer Höhenweg entlang und den Zirbensteig nach unten. Der Talweg führt uns wieder nach Mandarfen, wo wir in der Verpflegung Nummer 2 auftanken. Diese erste Runde verging wie im Flug. Wir quatschen und lachen und mein Fuß hält.

Quelle: sportgraf.com
Quelle: sportograf.com

Jetzt wird es von der Streckenführung etwas langweiliger, es geht über 11 km den Talweg entlang. Wir hatten für einen alpinen Trail mit steilen An- und Abstiegen trainiert und nun ist ein guter Teil der Strecke sehr laufbar, aber das ist okay. Auf dem Hinweg haben wir wenigstens Gefälle und es rollt gut, an den Rückweg denke ich lieber nicht. In Neurur stehen meine Eltern und winken uns zu, ansonsten ist wenig los in dieser Nacht. Ein paar Kühe und Pferde sind auf den Beinen. Sorry, dass wir euch alle so blenden mit unseren Stirnlampen. Ihr kommt wahrscheinlich ganz durcheinander. Die ersten Läufer*innen des P90 und P105 kommen uns entgegen, vereinzelte Lichter in der Nacht.

Im Weiler Scheibe geht es dann endlich wieder auf einen Steig, eine willkommene Abwechslung. Wir sind immer noch zu dritt unterwegs und sind gut gelaunt. Irgendwie scheint nun jede*r ihrer bzw. seinen Platz gefunden zu haben, denn P60-Läufer*innen sehen wir nun keine mehr, wir werden nicht überholt und überholen selbst auch niemanden. Mittlerweile bin ich komplett nass. Aber es stört nicht. Beim Laufen ist es überhaupt kein Problem, nur beim Anhalten wird einem schnell kalt. Und die Pausen an den Verpflegungsstationen dauern auch länger als bei gutem Wetter. Bis die nassen Handschuhe ausgezogen sind, dauert es und noch länger brauche ich, bis ich sie wieder anhabe. Aber das ist Teil des Spiels. An der Arzler Alm versorgen wir uns wieder, dann machen wir uns auf den schönen, aber kniffligen Steig über die Tiefenthaler Alm zur Neubergalm. Auf diesem Teilstück wird es hell und wir können umso besser sehen, wie schlammig alles ist. Teilweise versinkt der Fuß komplett im Matsch und auch der beste Grip nutzt nichts mehr.

Aber was soll ich sagen, es macht Spaß. Es ist bekloppt und wunderbar. Ich könnte mir gerade nichts Besseres vorstellen, möchte mit niemandem tauschen, der auf den Malediven oder sonstwo am Strand liegt. Es sind die schlechtesten Verhältnisse, die ich je bei einem Lauf hatte und es ist gleichzeitig der lustigste Lauf überhaupt. Auf der Neubergalm winken wir der Bergrettung und lassen uns dann runterrollen ins Tal.

Ich weiß, dass es jetzt hart wird. 13 km zurück mit etwas über 300 gemeinen Höhenmetern, die sich ziehen, es ist zu flach, um ins Hiken zu wechseln und das Laufen fällt schwer. Erstes Ziel: Die Verpflegung in Stillebach. Ab hier kommen uns die ersten Läufer*innen der P45-Distanzen entgegen und es ist eine willkommene Abwechslung, ein paar andere Läufer*innen zu sehen, sich gegenseitig anzufeuern und aufzumuntern. Mittlerweile sind Xabi und ich wieder zu zweit unterwegs. Danke, Paul, dass du solange dabei warst, es hat riesigen Spaß gemacht. Schritt für Schritt schaffen wir es zurück nach Mandarfen, der immer gleiche Laufschritt ist für meinen Fuß nicht sehr förderlich und ich bin froh, zurück in Mandarfen zu sein. 51 km, so weit bin ich noch nie gelaufen. Bis auf den Fuß geht es mir gut.

Quelle: sportograf.com
Quelle: sportograf.com

Wir überlegen, ob wir uns umziehen sollen, entscheiden uns aber, nur die Handschuhe zu wechseln. Kurz verpflegen und mit trockenen Händen geht es auf die letzte Runde, wieder die P15-Loop, die wir gleich zu Beginn des Laufs schon absolviert haben. Ich weiß, dass die laufbaren Passagen nun wehtun werden, aber ich will es jetzt schaffen, einfach einen Fuß vor den anderen setzen. Irgendwann auf dieser Runde rasen die Schnellsten des P15 an uns vorbei. Ich bin beeindruckt, wie sie den Zirbensteig runterfliegen. Bei mir ist es eher Vorwärtskommen als Laufen. Als wir wieder auf dem Forstweg sind, weiß ich, dass wir es geschafft haben, aber auch, dass ich nochmal Zähne zusammenbeißen muss. Jeder Schritt tut jetzt weh, der Fuß mag nicht mehr. Wir bleiben aber im Laufschritt und bald ist das Ziel in Sicht. Wahnsinn, meine erste Ultradistanz: 67 km mit +2.600 Hm. Ich bin glücklich und erleichtert.

Quelle: sportograf.com
Quelle: sportograf.com

Der Veranstalter hat auf jeden Fall alles richtig gemacht mit der Streckenänderung. Ich hätte mich sicher nie zu solch einer Streckenführung angemeldet, aber bei diesen Bedingungen können wir froh sein, dass uns überhaupt eine Alternative angeboten wurde. Hier geht ein Lob und Dank an die Organisation, die hier jederzeit alles im Griff hatte und absolut professionell agiert hat. Sicherlich sind ein paar Leute gar nicht gestartet, was ich auch sehr gut verstehen kann, ich habe ja selbst gezögert. Es war aber ein tolles Erlebnis, in die vielen lachenden und fröhlichen Gesichter der Läufer*innen zu blicken. Schlechte Laune habe ich nicht gesehen. Auch wenn alle schmutzig waren und das Wasser in den Schuhen stand, die Stimmung war die ganze Zeit super.

Dieser Lauf war voll von Gegensätzen. Es ging eigentlich leicht, war wegen des Fußes aber doch auch hart. Es war lang, aber kurzweilig und kam mir überhaupt nicht lang vor. Es war laufbar und auch wieder gar nicht. Es war überhaupt nicht das, was wir erwartet hatten. Aber wir haben viel gelernt, haben nette andere Läufer*innen kennen gelernt und hatten jede Menge Spaß. Und das war eigentlich alles, was ich mir gewünscht hatte.

Wiederkommen müssen wir aber natürlich. Denn nun habe ich zwar den P60 gefinisht, aber nicht das Original. Ich habe noch immer diese Bilder von der sternenklaren Nacht am Gletscher und dem Sonnenaufgang am Rifflsee im Kopf. Die Reise geht weiter.

INFOBOX PAGT

Alle Infos: www.pitz-alpine.at

Alle Ergebnisse 2023 hier

Livestream Tag 1 (Youtube-Link)

Livestream Tag 2 (Youtube-Link)

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